Aktuelles
Porträtreihe "Frau Handwerkerin"
Trägerverein Frauen und Wirtschaft e.V.
erschienen am 30. August 2021
von Claudia Körner
Annika Knutzen in der Ausbildungswerkstatt der Meyer Technik Unternehmensgruppe (Foto: Raissa Wischnewski)
1. Der Weg in einen frauenuntypischen Beruf – wie war der und wie kam es dazu?
Den ersten Kontakt mit der Elektrotechnik hatte ich quasi gezwungenermaßen mit 14 in der 9. Klasse, da war ein Schulpraktikum dran. Weil ich aus Zeitdruck nichts anderes gefunden hatte, kam ich über einen Kontakt zu Meyer Technik. Wenn ich ehrlich bin, habe ich damals gedacht, oh je, nur Männer hier, und überhaupt, das ist eigentlich nicht so meins.
Ich habe dann Abitur gemacht und überlegt, was ich danach machen will. Ich wollte erst studieren und habe mich in der Zeit mit Leuten unterhalten, die auch in Führungspositionen sind. Die sagten, es gäbe kaum noch Absolventen, die Fachpraxis haben, nur noch Leute, die studieren. Ich dachte damals, ich möchte wissen, wovon ich rede und habe mir überlegt, erst eine solide Basis durch eine Ausbildung zu schaffen. Ich war immer gut in Mathe und Physik und interessehalber habe ich dann einfach eine Bewerbung zu Meyer Technik geschickt und habe relativ schnell eine Zusage erhalten. Dann ging es hier los. Aus meinem Umfeld gab es viel positives Feedback wie „Voll cool“ oder „Finden wir richtig gut“, „Wir trauen Dir das zu“, aber auch Erstaunen wie, „Du machst eine Ausbildung in der Elektrotechnik? So richtig mit Bau und Handwerk und Technik?“
2. Eine Ausbildung in einem Bereich, in dem überwiegend Männer sind, wie haben Sie das bisher erlebt?
Unter den Auszubildenden sind wir als Frauen zu zweit. Meine Kollegin lernt auch Elektronikerin für Energie- und Gebäudetechnik. In der Berufsschulklasse waren wir erst auch zu zweit und seit der Aufteilung in Automatisierung und Gebäudetechnik innerhalb der Berufsschule, bin ich allein in der Klasse. Hier sind wir alle locker drauf, ich verstehe mich mit allen, es ist lustig und wenn dann mal ein blöder Spruch von den Jungs kommt, dann hat mein Lehrer auch schon mal gesagt: „Ich würde aufpassen, was ich sage, denn Annika hat dreimal bessere Noten!“ Eigentlich ist das Thema „Frau oder Mann in der Ausbildung“ überhaupt kein großes Thema. Ich werde behandelt, wie jeder männliche Auszubildende auch, und hatte noch nie Probleme, auch nicht auf der Baustelle. Wenn man einen Spruch bekommt, gibt es eben von mir einen Spruch zurück. Man braucht schon auch Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, das baut man hier noch ganz nebenbei aus.
3. Was ist das Spannende an Ihrem Beruf?
Der Beruf ist sehr vielfältig. Ich war lange auf einer Baustelle, auf der ein großes Bürogebäude mit 14 Etagen entstanden ist. Ich habe von allem etwas mitbekommen, anfangs auf der dreckigen Baustelle bis zur „schönen“ Arbeit, wenn der Dreck von der Baustelle ist. Man macht alles, und man sieht konkret, was entsteht. Und man hat schnell Erfolgserlebnisse, weil man sieht, dass es dann auch funktioniert. Ich durfte z.B. eine Jalousieanlage installieren und einstellen oder Schalterprogramme und Lampen einbauen. In der Endmontage sieht es nicht mehr nach Baustelle aus, sondern dann ist es fertig und funktioniert. Ich war bisher nur auf Baustellen, wo wir als Azubis in der Anfangsphase in die Pläne mit einbezogen wurden, und nach diesem Plan haben wir uns dann auf der Baustelle gerichtet. Man darf hier auch schnell selbstständig arbeiten und bekommt einen Vertrauensvorschuss. Der Beruf bringt mir viel Spaß und ich lerne hier viel, was mich im Leben weiter bringt.
4. Was müsste sich verändern, damit mehr Frauen in diese Berufe gehen und ihre Chancen hier erkennen. Was würden Sie Frauen mit auf den Weg geben?
In den Köpfen von Frauen sind sicher noch immer Klischees, dass das Männerberufe sind. Eigentlich ist das aber nicht so. Klar kann ich nicht alles schleppen, was für Männer leichter ist, aber dann hole ich mir eben Unterstützung, das ist kein Problem. Es gibt eine große Kollegialität. Den Weg, sich über ein Praktikum auszuprobieren und herauszufinden, ob der Beruf Spaß macht, den halte ich für sehr gut.
Der Beruf bietet nicht nur tolle Beschäftigungs- und Betätigungsmöglichkeiten, sondern auch Aufstiegschancen. So möchte ich noch Elektrotechnik studieren in einem Dualen Studium, das Praxis und Theorie miteinander verbindet. Damit Frauen das Handwerk als Chance sehen, müssten noch mehr Frauen, die das schon tun, gezeigt werden. Das motiviert auch andere Frauen, die dann auch sehen, es gibt schon viele, die Lust dazu haben und es auch können. Die Überlegung, wie schaffe ich den Job mit Kindern, ist sicher auch ein Thema bei der Berufswahl. Im Büro kann man einfacher mal Teilzeit arbeiten, auf der Baustelle ist das schon schwieriger, aber auch da kann man mit der Firma Lösungen finden.
Hilfreich finde ich auch Berufsinformationstage an den Schulen, die abwechselnd entweder nur soziale Berufe zeigen oder eben technische. So sind alle gezwungen, da mal genauer hinzuschauen. An meiner Schule war das so und das fand ich sehr, sehr gut. Für alle ein Technik-Pflicht-Praktikum, das wäre sicher hilfreich. Wenn man wirklich Lust auf Physik und Mathe hat, rate ich Frauen, sich einfach auszuprobieren, entweder in einem Schulpraktikum oder als freiwillige Ferienaktion.
Quelle: https://frauen-und-wirtschaft.de/frau-handwerkerin.php?akt_detail=618